Presse-Information zum Internationalen Tag der Pressefreiheit
„Journalismus ist kein Verbrechen“
Aktionen und Informationen zum Internationalen Tag der Pressefreiheit 2024
Das Projekt „Journalismus macht Schule“ bildet unseren Aktionsschwerpunkt zum Internationalen Tag der Pressefreiheit 2024. Zum vierten Mal sind wir am 03. Mai zusammen mit der Landesmedienanstalt Teil der gleichnamigen bundesweiten Aktion.
Zwischen 08 und 14 Uhr sind Journalistinnen und Journalisten zwischen Orscholz und Homburg, zwischen St. Wendel und Dillingen in Schulklassen. Sie berichten in Gemeinschaftsschulen, Berufsbildungszentren und Gymnasien darüber, wie Beiträge entstehen oder wie recherchiert wird. Sie arbeiten mit Fakten und Witz, mit kleinen Aufgaben oder einem speziellen Wissentest zu Medien. Sie bieten Informationen und Hintergründe, legen unsere journalistischen Kriterien offen und sprechen mit den Jugendlichen über Mediennutzung und Medienkompetenz.
Wie schon 2023 lautet das zentrale Anliegen quer durch die Schulformen und Altersstufen auch in diesem Wahl-Jahr: „Was tun gegen Fake News und Desinformation?“
Die Pressefreiheit in Deutschland wird, nach dem jüngsten Bericht von Reporter ohne Grenzen, wieder mehr geachtet als in den letzten Nach-Corona-Jahren. Im aktuellen Ranking der Pressefreiheit hat es Deutschland wieder in die Top 10 geschafft. Dieser Aufstieg von 21 auf 10 liegt aber leider kaum an spürbaren Verbesserungen, sondern ist vor allem darin begründet, dass sich andere Länder deutlich verschlechtert haben. Positiv ist aber, dass die Zahl der physischen Übergriffe auf Kolleginnen und Kollegen deutlich zurückgegangen ist: Nach dem Negativrekord von 103 Übergriffen in 2022 waren es im letzten Jahr noch 41. Reporter ohne Grenzen geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Und die Organisation stellt fest, dass pressefeindliche Tendenzen zunehmen.
Das können wir auch für das Saarland bestätigen. Uns wurden weniger tätliche Angriffe bekannt gemacht als noch im Jahr davor. Wir wissen auch nichts von Anzeigen oder gar Verfahren. Aber wir hören quer durchs Land von Rüpeleien und Rempeleien und vor allem von verbalen Anfeindungen. Diese nehmen zu, nicht nur bei Demonstrationen, sondern auch bei völlig unverfänglichen Umfragen. Und sie nehmen in einem Maße zu, dass vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen vor Außenterminen zurückscheuen und manche ihre Berufswahl gar gänzlich in Frage stellen.
Der Verband und die Medienunternehmen im Land haben bereits darauf reagiert und bieten gezielte Maßnahmen an. Auch daran lässt sich erkennen, dass es sich hier nicht um Einzelfälle handelt.
Reporter ohne Grenzen vermerkt im aktuellen Jahresbericht über die Lage der Pressefreiheit auch, dass seit dem Herbst vermehrt Übergriffe auf Medienschaffende zu verzeichnen sind, insbesondere auf Pro-Palästina-Demonstrationen. Auch in Deutschland und auch dabei ist das Saarland keine Ausnahme.
Wir als Saarländischer Journalistenverband werten dies als Angriff auf unsere Arbeit.
Die Medien können nur dann zur Meinungsbildung und damit zur demokratischen Teilhabe beitragen, wenn sie frei arbeiten können. Nur dann können sie auch einstehen für Fairness und Toleranz.
Das sehen wir im Saarland aktuell durch einen bislang nie dagewesenen Vorgang gefährdet. Da hat eine Redakteurin der Saarbrücker Zeitung ein Interview mit hier lebenden Palästinensern geführt, um auch diese Seite zu Wort kommen zu lassen. Die Chefredaktion und die Kollegenschaft hatte diesen journalistischen Ansatz mitgetragen, aus vielen guten journalistischen Gründen, wie wir finden.
Reaktionen auf dieses Interview, insbesondere von der Union Stiftung, können wir als Saarländischer Journalistenverband dagegen überhaupt nicht nachvollziehen. Weder die Anwürfe gegen die Kollegin Brenner, der "mindestens Ahnungslosigkeit vorwerfen und im schlimmsten Fall gezieltes Schüren antiisraelischer Ressentiments" unterstellt und vorgeworfen wird. Das hat unseres Erachtens nichts mit Kritik zu tun, sondern grenzt an eine Diffamierung und trägt auch nicht zu einer sachlichen Debatte bei, sondern macht genau das, was der Kollegin unterstellt wird: Ressentiments schüren.
Ähnlich schwerwiegend, aber noch pikanter, ist die Tatsache, dass die Union Stiftung bei ihren zahlreichen Mitteilungen in dieser Sache ihre Position völlig außen vor lässt.
Die Union Stiftung ist als Mitglied der Gesellschaft für Staatsbürgerliche Bildung Saar, GsB, an der Saarbrücker Zeitung beteiligt – ebenso wie die Villa Lessing – Liberale Stiftung und die Demokratische Stiftung Saarland.
Der SJV fordert die Union Stiftung zum Internationalen Tag der Pressefreiheit auf, die Kampagne gegen die Saarbrücker Zeitung und insbesondere gegen die Kollegin Brenner einzustellen.
Der Saarländische Journalistenverband wird die Kollegin in vielfältiger Form unterstützen und sich weiterhin für die Freiheit der Presse als Grundlage der freien Meinungsbildung einsetzen. Nicht nur am Internationalen Tag der Pressefreiheit.
Die SJV-Vorsitzende Ulli Wagner hat sich in dieser Angelegenheit in einem Offenen Brief an die Union Stiftung und auch an Vertreter der LAG Erinnerung gewandt. Dieses Schreiben ergänzt diese SJV-Pressemitteilung zum Internationalen Tag der Pressefreiheit.
V.i.S.d.P.: Ulli Wagner, info@djv-saar.de
Internationaler Tag der Pressefreiheit 2024
Am 19. April hat die Saarbrücker Zeitung ein Interview mit zwei Palästinensern veröffentlicht. Seither gibt es vor allem von der Union Stiftung, aber auch von Vertretern der LAG Erinnerung heftige Vorwürfe gegen die Zeitung und zum Teil auch persönliche Anwürfe gegen die SZ-Redakteurin Esther Brenner, die dieses Interview geführt hat.
Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit nimmt die SJV-Vorsitzende Ulli Wagner zu diesen Vorgängen in einem Offenen Brief an die Union Stiftung und die Sprecher der LAG Erinnerung Stellung.
Offener Brief der SJV-Vorsitzenden Ulli Wagner
an die Union Stiftung und die Sprecher der LAG Erinnerung
Liebe Union Stiftung, liebe Vertreter der LAG Erinnerung,
Antisemitismus in der SZ – so lautet der Dateiname der Stellungnahme der Union-Stiftung zu einem Interview mit zwei Palästinensern in der SZ vom 19.04.2024.
„Antisemitismus in der SZ“ – finden Sie nicht, dass Sie da arg übertreiben? Mir scheint ähnlich reflexhaft wie das „Jetzt ist es aber auch mal gut“, das ich 2013 als Reaktion „aufrechter Saarländerinnen und Saarländer“ auf eine lange Sendung mit und über Esther Bejarano bekam.
Auch die „Gegenseite“ zu hören und zu Wort kommen zu lassen, gebietet die journalistische Sorgfaltspflicht sowie Fairness und Transparenz. Und auf diese legen Sie doch großen Wert, jedenfalls bekunden Sie dies immer dann, wenn Sie dem Journalistenverband ihre Pläne im medialen Bereich präsentieren.
Dann sollten sie diese Grundsätze aber auch im Umgang mit der Öffentlichkeit beachten. Die Union Stiftung über die GsB Miteigner dieser einzigen Tageszeitung im Saarland, ist in Aufsichtsgremien vertreten.
Doch dieser Kontext bleibt in allen Erklärungen unerwähnt – unerklärlich für mich, wo Transparenz doch das Gebot der Stunde ist.
Ebenso unerwähnt bleibt, dass die Union Stiftung selbst in die Rolle des Medien-Veranstalters schlüpfen und somit potentieller Mitbewerber werden möchte oder es nach eigner Einschätzung vielleicht sogar schon ist.
Da drängt sich die Frage auf, als wessen Sachwalter und in welcher Funktion Sie hier auftreten und agieren? Ist das noch ein Beitrag zu einem inhaltlichen Diskurs? Ist das ein Eingriff ist die redaktionelle Freiheit und damit letztendlich in die Pressefreiheit? Ist das eine Kampagne gegen einen Mitbewerber?
Im Titel Ihrer Stellungnahme zu dem SZ-Interview holen Sie zum großen Schlag aus: Demokratie- und Israel-Feindliches könne in der SZ unwidersprochen stehen bleiben. Und erwarten offenbar, dass dieser massive Vorwurf unwidersprochen und ohne Einordnung in einen Kontext stehen bleibt:
Die Kollegin Brenner hat ein Interview geführt, mit zwei Palästinensern, die das, was aktuell im Nahen Osten geschieht, erwartungsgemäß anders sehen als die meisten Menschen jüdischen Glaubens und wohl auch viele andere anders- oder nicht-gläubige Deutsche.
Damit hat Esther Brenner genau das getan, was ihre journalistische Pflicht ist. Sie hat dazu beigetragen, dass wir verschiedene Sichtweisen kennen und das wiederum ist unabdingbar für unsere freie Meinungsbildung und die wiederum ist einer der Grundpfeiler unserer Demokratie.
Ihren Vorwurf, das sei schlechte journalistische Arbeit, belegen sie mit keinem der 5 Punkte, die sie in ihrer wie eine Gegendarstellungsforderung aufgebauten Pressemitteilung anführen.
Sie schreiben weiter, der Text sei ohne Gegendarstellung abgedruckt worden – es handelt sich hier um ein Interview mit geprüften und autorisierten Zitaten. Da hat eine Gegendarstellung nichts zu suchen.
Und Sie schreiben, das Interview sei „eine Gefahr für unsere Demokratie und insbesondere unsere jüdischen Mitbürger“. Das wiederum grenzt meines Erachtens an Verleumdung und was darauf folgt in anderen Erklärungen erfüllt meiner Meinung nach Kriterien einer Kampagne.
Ja, werte Vertreter der LAG Erinnerung: es gibt viele Deutsche jüdischen Glaubens, die sich mit Symbolen ihres Glaubens nicht mehr auf die Straße trauen. Für viele war das schon lange vor dem 07. Oktober traurige Realität, Freunde berichten mir das teils seit Jahren aus Berlin oder Hannover. Und ich kann mir gut vorstellen, dass diese Angst auch im Saarland herrscht.
Das aber mit dem Artikel von Esther Brenner in der SZ in Verbindung zu setzen, das ist meines Erachtens nicht nur unzulässig, sondern fast schon infam.
Ich kenne viele, die auf der Seite von „Jüdinnen und Juden in ganz Deutschland, Europa und darüber hinaus stehen“ und trotzdem auch wahrnehmen, was etwa im Gaza-Streifen geschieht. Viele sind innerlich zerrissen, wollen das eine schützen ohne das andere billigend in Kauf zu nehmen. Und sie wollen darüber reden, ohne immer wieder vorneweg sagen zu müssen, dass der 07. Oktober ein terroristischer Akt, ein Massaker war und die Welt seither eine andere ist. Ich kenne Jüdinnen und Juden, die auf genau dieser Grundlage für humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen kämpfen. Ich kenne Jüdinnen und Juden, die nach Wegen suchen, ihre Sprachlosigkeit und diese innere Zerrissenheit zu überwinden.
Ich habe selbst erlebt, wie Omri Boehm bei der Verleihung des Leipziger Buchpreises für die europäische Verständigung in der Lage war, Hasstiraden Paroli zu bieten und gleichzeitig seiner Maxime, dass die Gleichheit aller Menschen anzuerkennen sei, gerecht werden konnte.
Das brauchen wir. Kommunikation, nicht Ausgrenzung. Unter klaren Bedingungen, keine Frage.
Dazu gehört auch die Freiheit der Presse.
Nicht dazu gehören selbstgebastelte Galgen für Medien, wie sie auch schon in Saarbrücken bei pro-palästinensischen Demonstrationen zu sehen gewesen sein sollen.
Nicht dazu gehören aber auch verbale Angriffe auf Kolleginnen und Kollegen, eine Kampagne gegen ein Medium. Erst recht nicht von Seiten eines Anteilseigners, selbst dann nicht, wenn er dies selbstkritisch transparent darlegen würde.
Der Diskurs ist schwierig. Aber alternativlos. Im Sinne der Pressefreiheit und der Demokratie.
Mit freundlichem Gruß
Ulli Wagner
(Vorsitzende)