Nachruf
Otto Klinkhammer
Otto Klinkhammer: 13.04.1928 - 01.04.2020 (Foto: SJV-Archiv)
Kurz vor seinem 92. Geburtstag verstarb diese Woche einer der Rundfunkpioniere im Saarland: der frühere Hörfunkdirektor des Saarländischen Rundfunks, Otto Klinkhammer. Der Saarländer und überzeugte Europäer war bereits bimedialer Chefredakteur, als in anderen ARD-Anstalten zwischen Hörfunk und Fernsehen noch Welten lagen.Otto Klinkhammer hatte viele Positionen und noch mehr Funktionen und vor allem immer ein offenes Ohr - und zwar völlig unabhängig vom Status. Otto, wie er fast von allen genannt wurde, war für freie Mitarbeiterinnen, wie etwa die heutige SJV-Vorsitzende Ulli Wagner, genauso da, wie für festangestellte Redaktionsleiter, wie etwa Axel Buchholz. Der ehemalige Journalistik-Professor war dankenswerterweise bereit, seine Erinnerungen an unser langjähriges Mitglied Otto Klinkhammer mit uns zu teilen:
„Ich sehe ihn noch leibhaftig bei seinen Kommentaren vor mir...“, mailte ein Rechtsanwalt zum Tod von Otto Klinkhammer. Und ein Unterhaltungskollege, der kaum dienstlich mit ihm zu tun hatte, fragte, wie er seine Anteilnahme zeigen könne. Otto Klinkhammer war dreierlei: als Journalist ein Markenzeichen des Saarländischen Rundfunks und als Chef zugleich ein sehr beliebter Kollege. Er lebte als eingefleischter Saarländer gern an der Grenze – und über Grenzen hinaus, über parteipolitische und hierarchische.
Stolz war er auf seine journalistische Karriere vom Nachkriegs-Journalistenschüler in Aachen bis zum SR-Programmdirektor. Und auf seine Orden und Ehrungen. Aber häufiger wohl erzählte er, dass er als Direktor der erste gewählte (!) Frauenbeauftragte des SR gewesen sei. Schmunzelnd gab er sich davon überzeugt, dass ihm das jedenfalls kaum noch jemand wird nachmachen können.
Wahrscheinlich trifft das auch seinen direktoralen Führungsstil (wenn man so sagen kann) zu. Wenn nicht „Schmidtchen“ (Maria Schmidt) ihn gelegentlich abgeschottet hätte, wäre seine Bürotür wohl immer offen gewesen. Aktennotizen schrieb er kaum. Noch weniger gern bekam er welche. Ebenso waren Termine oder Sitzungen nicht seine Sache. Otto führte „by walking and talking“: Hingehen statt einbestellen, sprechen statt schreiben. Mit den Beinen baumelnd auf dem Schreibtisch der Redaktionssekretärin oder einer Journalistin sitzend und freundlich plaudernd – so habe ich ihn häufiger angetroffen. Was er eigentlich gewollt hatte, blieb manchmal sein Geheimnis, meist ahnte man es, selten war es eine klare Botschaft. „Deutliche Ansagen“ waren seine Sache nicht. Eher vertraute „Okli“ darauf, dass man Zwischentöne schon hören würde, wenn er eher „en passant“ auf ein Thema zu sprechen kam. Manchmal hinterließ er seine (oft spitzen und ironischen) „Botschaften“ auch bei anderen – wohl davon ausgehend, dass sie einen schon „indirekt“ erreichen würden…Auch bei eher (seltenem) Lob konnte das so sein. So kann ich mich denn auch an nur wenige Kräche in fast drei Jahrzehnten mit Otto Klinkhammer erinnern. Und selbst die erlebten meist den nächsten Tag nicht mehr. Ein Reizthema für ihn war der Sowjetunion-Kenner Wolfgang Leonhard. Zu Zeiten des „Kalten Krieges“ gehörte der zu den anerkannten und als Experten im Journalismus sehr begehrten „Kreml-Astrologen“. Otto hielt nichts von ihm – trotz dessen einschlägiger Vita, zahlreicher Bücher und seiner regelmäßigen Yale-Gastprofessur. Darum „moserte“ er fast jedes Mal, wenn der Name Leonhard von einem Redaktionskollegen oder mir in der täglichen aktuellen Redaktionskonferenz als Gesprächspartner genannt wurde. Einmal steigerte sich unser Dauer-Disput darüber so sehr, dass ich bezweifelte, dass er selbst über diesen Themenbereich überhaupt genug wisse, um Leonhards Sachkenntnis beurteilen zu können. Das war offenbar zu viel. Der kleine und schmächtige Chefredakteur wurde zum Vulkan. Seine wutentbrannte Philippika gegen Leonhard beendete er mit dem Satz: „Der kann doch noch nicht mal Auto fahren.“ Die Redaktionskonferenz lachte laut. Der Herr Chefredakteur war nämlich allseits selbst als schlechter Autofahrer berüchtigt. Kurz darauf saßen wir wieder einträchtig beim Mittagessen in der Kantine zusammen. Die schnelle versöhnende Geste war eines seiner Führungsinstrumente, wenn er selten mal lautstark zugelangt hatte. Leonhard war für länger kein Thema mehr. So blieb er mir während der gesamten Zeit unserer Zusammenarbeit ein Chef, wie ich ihn mir besser kaum hätte wünschen können. Er war ein überzeugtes CDU-Mitglied. Damit hielt er nicht hinter dem Berg. Auswirkungen auf unsere Redaktionsarbeit hatte das nie. Er war ein liberaler Chef, der seinen Mitarbeitern viel Freiraum und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bei ihrer Arbeit ließ. Seine Devise schien zu sein, was soll ich mich da einmischen, solange der Laden gut läuft. Ein anderes Bild, was ich von ihm vor Augen habe: Otto Klinkhammer im Landtagsrestaurant im Kreis von Politikern. In seinen Anfangszeiten beim SR war das regelmäßig so. Dabei saß er dann oft „überparteilich“ mal mit diesem, mal mit jenem zusammen. Es gehörte zu seinen Pflichten beim SR. Denn, was wenige wissen, Intendant Mai hatte ihn anfänglich dafür verpflichtet, für die Intendanz Kontakte zur Landespolitik zu halten und zu pflegen. Mai selbst interessierte sich vor allem für Außenpolitik. Otto Klinkhammer wurde so schnell zum landespolitisch am besten vernetzten Journalisten des SR. So bekam ich einen mit allen politischen Wassern gewaschenen Kenner auch dessen zum direkten Vorgesetzten, was hinter den Kulissen der saarländischen Landespolitik ablief. Hätte man ihn auf das heutige Journalisten-Credo, sich mit Politikern nicht zu duzen, beschränken wollen, er wäre sehr einsam geworden. Sein heißer Draht war ein doppelter: vom SR zur Politik und von der Politik zum SR. Hier wie da war bald sein guter Rat gefragt. Auf so manche politische (auch personalpolitische) Entscheidung in Bezug auf den oder beim SR hatte er damit einen gewissen Einfluss. Das beschränkte sich nicht auf SR-Themen, wie zum Beispiel sein Mitwirken am Zustandekommen der Polenverträge zeigte. Brückenbauer, Vermittler könnte man das nennen. Oder „Strippenzieher“, wie das die taten, die es für unvereinbar mit dem journalistischen Ethos hielten.Wer dazu neigte, Politik vor allem rational und analytisch zu betrachten, der konnte von Otto Klinkhammer lernen, wie menschlich, allzu
menschlich, so manches in der Politik zu erklären war. Aber längst nicht nur das. Ich war ihm dankbar für so manches Gespräch, was wir längst nach dem offiziellen Feierabend noch in seinem Büro führten.
Fast drei Jahrzehnte verbrachte Otto Klinkhammer im Ruhestand, der lange kein wirklicher war. Im Journalismus und in der Politik hat sich da viel geändert. Auch natürlich beim SR. Sein Rat aber blieb dennoch viele Jahre lang gefragt. Zu „seinem“ Sender hielt er gern Kontakt. Und nicht wenige seiner ehemaligen engen Mitarbeiter hielten dankbar Kontakt zu
ihm – solange es sein Gesundheitszustand erlaubte.
Vielen Dank, Otto, es hat Freude gemacht mit Dir als Chef.
Tafel Wadern
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Verwendungszweck: Otto Klinkhammer