Nachruf
Georg Bense
In der Karwoche ist unser Mitglied Georg Bense im Alter von 81 Jahren in Folge einer Corona-Infektion verstorben. Der Filmemacher und Autor war über dreißig Jahre lang Mitarbeiter des Saarländischen Rundfunks, drehte unzählige Filme für den SR und bildete jüngere Kolleginnen und Kollegen aus. Auch SJV-Mitglied Sven Rech hat sein Handwerk bei ihm gelernt. Er hat in einem sehr persönlichen Nachruf auf SR 2 Kulturradio an Georg Bense erinnert und uns erlaubt, diesen hier wiederzugeben:Es war an einem kalten Frühlingsmorgen, wir fuhren auf einer dieser langen Landstraßen durch Lothringen, unterwegs zu irgendeinem Museum. Georg Bense drehte einen Film über Emile Friant, einen lothringischen Maler des späten 19. Jahrhunderts. Plötzlich trat Bense mit voller Wucht auf die Bremse, setzte ein paar Meter zurück, sprang aus dem Auto und begann die Kamera einzurichten. Während der nächsten halben Stunde – wir, sein Team, standen frierend daneben – filmte er konzentriert und selbstvergessen einen frisch gepflügten Acker: braune Furchen, halbgefrorener Matsch. Hinter den Hügeln wartete das geheizte Museum mit den Ölbildern aus dem 19. Jahrhundert. Wir schauten betreten unseren Atemwolken hinterher und wagten nicht, ihn zu mit einer Frage zu stören. Erst später, im fertigen Film, verstand ich: die Ackerfurchen sahen aus wie die Pinselstriche, mit denen der Maler seine Landschaften porträtiert hatte.Georg Bense, 1938 geboren, war der Sohn des Philosophen Max Bense, der in den Sechziger- und Siebziger-Jahren viel Richtungsweisendes zur Semiotik geschrieben hatte – also zur Theorie der Zeichen. Sein Sohn machte aus der Zeichentheorie eine Praxis – in hunderten von Filmen: nie filmte er etwas, um es einfach nur abzubilden. Das Filmbild einer Ackerfurche bedeutete bei ihm eben nicht nur „Ackerfurche“, sondern auch „Pinselstrich“. Er nannte das, mit einem Begriff des großen französischen Kameramanns Henri Alekan „la caméra stylo“, die schreibende Kamera. Bense schrieb mit seiner Kamera Metaphern, Gedichte, Erzählungen, er schuf Zusammenhänge, die kein anderer gesehen hätte – und eröffnete dadurch seinen Zuschauern überraschende Perspektiven und verblüffend erhellende Sichtweisen auf die Dinge. Seit den frühen Sechzigerjahren drehte Bense Filme für den Saarländischen Rundfunk, er gehört gewissermaßen zum Urgestein des Senders. Das SR-Archiv verzeichnet über achthundert Einträge mit seinem Namen. Hinzu kommen reihenweise Filme für andere Sendeanstalten wie ZDF und Arte, sowie Drehbücher, Theaterstücke, Zeitungstexte, Essays; zuletzt ein Text-Bildband über das Land, das ihm stets das liebste geblieben war: „Gesichter Lothringens“. Georg Bense interessierte sich für alles: für Kafka und für Winnetou, für Segelschiffe und taiwanesisches Porzellan, für spanische Gitarren, englische Landschaften, japanische Erotikfilme, saarländische Literaten und australische Buschpiloten.
Sein Team bestand stets aus jungen Leuten, deren unverbildete Meinungen ihm wichtig waren – im Gegenzug brachte er ihnen das Filmemachen bei. Ganze Generationen von SR-Mitarbeitern wurden auf diese Weise ausgebildet.
Ich hatte das Glück, einer von ihnen sein zu dürfen – Georg Bense war mein Lehrer, mein Mentor und mein Freund. Ich verdanke ihm Reisen um die halbe Welt, meinen Beruf und die Fähigkeit, Pinselstriche in Landschaften zu sehen. Danke, Georg!