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Schorsch ist tot

Ein Nachruf auf einen, der nie viel Aufhebens um sich machte

02.10.2021

„Weißt Du, wie’s dem Schorsch geht?“ – die Frage konnte ich bei unserer ungewöhnlichen Mitgliederversammlung am 10. September nicht beantworten. Und ich hatte mir damals fest vorgenommen, nach meinem Urlaub genau das rauszufinden: wie es dem Schorsch geht. Doch dazu ist es jetzt zu spät und das tut mir verdammt leid.
Ich stand im Stau in Lyon, als gestern der Anruf kam, dass Schorsch am 18. September im Krankenhaus verstorben ist. 77 Jahre ist er geworden, der Mann, der rund 20 Jahre lang die Geschicke des SJV gelenkt hat. Hans-Georg Klein-Hudalla, so steht es auf dem Totenschein. Für die meisten war er einfach der Schorsch oder höchstens noch der Schorsch Klein.
Am 25 Juni 1944 wurde er in Saarbrücken geboren, die Eltern haben viel dafür gegeben, dass der Bub was werden konnte und vor allem zur Mutter hatte Schorsch ein enges Verhältnis. 1966 fing der Hans-Georg Klein als freier Mitarbeiter beim SR an, 1969 wurde er Mitglied im SJV. Ab 1973 engagierte er sich im SJV-Vorstand, erst als Beisitzer, ab 1975 als stellvertretender Landesvorsitzender unter Heinz Kölling. Da hatte Schorsch Klein ein Volontariat bei der SZ und einen Redakteursvertrag vom SR in der Tasche. Ziemlich schnell machte er sich mit anderen daran, die Saarlandwelle auf den Weg zu bringen – ein journalistisches Wagnis – nirgendwo sonst in der ARD gab es eine Welle für eine „Region“. Gleichzeitig dachte er über den Tellerrand, und so bekamen die Info-Magazine den schönen Namen „Treffpunkt Dreiländereck“, denn über den Gartenzaun hat der Schorsch immer geschaut und Grenzen wollte er immer überwinden, auch wenn ihm das im persönlichen Umgang nicht immer gelang.
Schorsch war Europäer im Herzen, ein überzeugter Föderalist, und er wusste schon früh, wie identitätsstiftend die Region ist – in seinem Hauptberuf als Chef des regionalen Zeitfunks beim SR und in seinem Ehrenamt beim SJV. 1986 wurde Hans-Georg Klein Landesvorsitzender eines kleinen, aber feinen Verbandes. Der hatte nicht den Mitarbeiterstab wie die „Großen“ in Düsseldorf oder München, aber dafür gab es persönlichen Kontakt und vor allem den direkten Draht im Notfall. Das ist eine der Stärken dieses kleinen Verbandes bis heute.
Schorsch war ein Stiller, ein Beobachter, der manchmal weit weg wirkte, aber meist viel mehr mitbekam als andere. Nicht nur in „Schorschs Papierkorb“ hat er der Politik auf die Finger geschaut, Beweggründe hinterfragt, Lobbyismus angeprangert. Und da gab es einiges in den rund 20 Jahren, die er an der Spitze des SJV stand. Zum Beispiel das „Lex Lafontaine“, mit dem der neue MP dem sogenannten Redaktionsschwanz bei Gegendarstellungen an den Kragen wollte, aber populistisch vordergründig „Waffengleichheit“ erreichen wollte.
Wenn es um Presse- und Meinungsfreiheit ging, hatte Schorsch eine ganz feine Antenne und eine ganz klare Haltung. Gegen das neue Gegendarstellungsrecht lief er zur Höchstform auf, schrieb spitzzüngige Stellungnahmen, holte den Bundesverband, also den DJV, mit ins Boot, führte unzählige Hintergrundgespräche und brachte Ilka Desgranges von der SZ, und gegen die war dieses neue Gesetz ja gerichtet, dazu, für den Deutschen Presserat zu kandidieren – die Kollegin war viele Jahre Teil dieses freiwilligen Kontrollgremiums und etliche Jahre auch dessen Sprecherin.
Auch andere von uns hat er immer wieder ins Rennen geschickt, bei Verbandstagen des DJV, sie in hitzig geführten Debatten ihren Senf geben lassen, manchmal hat er aber auch zum Abwarten geraten, im Bemühen um einen Kompromiss. Denn Hans-Georg Klein war, was Verbandliches angeht, durchaus auch ein Stratege mit Fingerspitzengefühl. Dafür wurde er, nach seinem aktiven Ausscheiden aus Beruf und Verband, 2006 auch mit der Doppel-Ehrenmitgliedschaft in SJV und DJV geehrt.
Schorsch hatte seine Finger im Spiel, als Manfred Buchwald SR-Intendant und Fritz Raff erst dessen Verwaltungsdirektor und später sein Nachfolger wurde. Und nein, die drei waren nicht immer einer Meinung, aber alle drei waren sie so gestrickt, dass sie andere Meinungen wenigstens anhörten, wenn die denn mit Argumenten unterfüttert waren – eine inzwischen offenbar veraltete Form der Diversität.
Schorsch hatte auch beim 12a- Tarifvertragsgesetz die Finger im Spiel und bei der richtungsweisenden Änderung des Personalvertretungsgesetzes, die den SR-Freien schon sehr früh viele Rechte einräumte und uns eine Sonderrolle innerhalb der ARD gab. Die Tarifverhandlungen ließ er uns selbst führen, wer wisse denn so gut wie wir, was die Freien brauchten, war sein Argument und außerdem müsse man auch für seine Rechte einstehen … das war die Gewerkschaftsschule des Schorsch Klein, in die ich viele Jahre gegangen bin. Auch wir waren nicht immer einer Meinung, aber wir haben immer an einem Strang gezogen, wenn es um Presse- und Meinungsfreiheit ging, um Selbständigkeit und um schnelle und unbürokratische Hilfe.
Fast genauso wichtig für mich war die berufliche Schule, in die und durch die ich bei ihm gegangen bin, denn ich war lange Zeit Schorschs „Raumteiler“, wie wir oben sagten. Themennot gab es zu Zeiten von Schorsch nicht: der hatte sein Ohr schon früh da, wo andere etwas auf dem Herzen hatten, der konnte Amtsblätter lesen und hinter Zahlenfriedhöfen einen Anfangsverdacht von Mauschelei entdecken.
Von Schorsch habe ich gelernt, über Bande zu spielen, eine der wenigen Möglichkeiten zum Quellen- und Informantenschutz auch im kleinen Saarland. Und im Übrigen im Kleinen das, was heute große Rechercheverbünde machen.
Wenn Du mit einem Thema nicht weiterkamst, wenn gemauert wurde, Du das Gefühl hattest, auf der richtigen Spur zu sein und trotzdem, oder genau deswegen, an der Nase rumgeführt zu werden, Schorsch hatte fast immer eine Idee. Und genau dafür nahm er sich auch die Zeit, war, was diese beruflichen Fragen anging, für sein Team da. Auch das gibt es so heute, aus vielen Gründen, nicht mehr.
Am Nachhaltigsten hat mich das Raumteilen mit Schorsch in einem Punkt geprägt: im Umgang mit denen, die der freien Presse etwas vorschreiben wollen. Da konnte Hans-Georg Klein knallhart sein. Welchen Reporter er zu welchem Termin schickte, welcher Reporterin er welches Thema gab, das entschieden allein redaktionelle Gründe – Punkt. Da konnte anrufen, wer wollte.
Ich habe verdammt viel gelernt von Schorsch, dem Stillen, der nie viel Aufhebens um sich machte und ein Freund der wenigen Worte war. Manchmal hätten es gerne ein paar mehr sein dürfen - ich werde ihn vermissen.

Ulli Wagner
(Foto: SR)

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