Tarifeinheit
DJV fordert vom Bundestag Ablehnung des Gesetzentwurfs
Der Deutsche Journalisten-Verband hat die Abgeordneten des Deutschen Bundestags aufgefordert, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Tarifeinheit die Zustimmung zu verweigern. Zu diesem Zweck hat der DJV an alle Bundestagsabgeordneten ein Argumentationspapier geschickt, das die Gründe für das Nein zum Tarifeinheitsgesetz auflistet. Heute wird das Parlament in zweiter und dritter Lesung über den Entwurf beraten. DJV- Bundesvorsitzender Michael Konken bekräftigte die Haltung des DJV zu den Gesetzesplänen: „Das Gesetz schränkt die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften ein und ist verfassungsrechtlich in höchstem Maße bedenklich.“ Das Prinzip „eine Gewerkschaft pro Betrieb“, das das neue Gesetz vorschreibe, beraube die Berufsgewerkschaften ihrer Tariffähigkeit. Es gehe nicht an, dass spezialisierte Gewerkschaften auf die Beratung ihrer Mitglieder und den Rechtsschutz reduziert würden. „Tarifverträge verhandeln, für gute Arbeitsbedingungen streiten und streiken sind gewerkschaftliche Kernaufgaben. Das muss auch so bleiben“, sagte Konken. Wörtlich heißt es in dem Argumentationspapier des DJV: „Das Gesetz bietet für die Minderheitsgewerkschaft nicht mehr als die Möglichkeit, sich den von fremden Parteien vereinbarten Tarifverträgen anzuschließen. Eine eigenständige Tarifpolitik gerade auch für Anliegen der Journalistinnen und Journalisten, zum Beispiel im Urheberrecht oder hinsichtlich der spezifischen Bedingungen der journalistischen Arbeit, wird unmöglich gemacht, mindestens in Frage gestellt.“Der DJV-Vorsitzende wies darauf hin, dass selbst die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags und zahlreiche Rechtswissenschaftler die Verfassungsmäßigkeit der Tarifeinheit in Frage stellten: „Die Sachargumente sprechen gegen das Vorhaben. Die Bundestagsabgeordneten sollten die Fakten stärker gewichten als den Koalitionszwang.“ Wenn der Bundestag die Tarifeinheit wider besseres Wissen beschließen sollte, sei der Gang nach Karlsruhe wohl unvermeidbar.Der Deutsche Journalisten-Verband kämpft bereits seit 2010 gegen die Tarifeinheit. Zusammen mit dem Marburger Bund, dem Deutschen Beamtenbund und der Vereinigung Cockpit bildet der DJV das Bündnis für Koalitionsfreiheit.Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Hendrik Zörner
Hintergrund: Tarifeinheitsgesetz gefährdet Solidarität1) Der DJV organisiert angestellte wie freie Journalistinnen und Journalisten in allen journalistischen Tätigkeitsfeldern. In den Tageszeitungsverlagen, den Zeitschriftenverlagen, im öffentlich- rechtlichen Rundfunk, bei den privaten Rundfunkunternehmen und den Agenturen ist er Tarifvertragspartei. Nur im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft, soweit dort Journalistinnen und Journalisten Pressearbeit leisten, ist er mit Tarifverträgen nicht vertreten. Neben den Tarifverträgen für Angestellte sind die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen wichtig. Diese Tarifverträge werden im Gesetz nicht im Ansatz berücksichtigt.2) Der vom Gesetzentwurf für die Feststellung einer Mehrheit verwendete Begriff des Betriebes ist in der Medienbranche durchgehend ungeeignet:a) In den Betrieben der Printbranche (Tageszeitungen und Zeitschriften) gelten Tarifverträge i.d.R. für Regionen bzw. für Deutschland insgesamt. Mehrheiten „im Betrieb“, also in einer bestimmten (welcher?) arbeitsrechtlichen Einheit, spielen dabei keine Rolle, bzw. müssten nach Gutdünken festgelegt werden. Zudem gelten in diesen Verlagen seit jeher für die Gruppen Druck, Verwaltung, Redaktion jeweils gesonderte Tarifverträge. Mehrheiten „im Betrieb“ bleiben dabei naturgemäß unberücksichtigt. Die Mehrheit „im Betrieb“ und im Tarifbereich des jeweiligen Betriebs ist selten identisch. Mehrheitsgewerkschaft und Minderheitsgewerkschaft würden auf der Grundlage des Gesetzentwurfs nur willkürlich bestimmt werden können.b) Tarifverträge im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in Tageszeitungsverlagen sind auch für arbeitnehmerähnliche Personen vielfältig abgeschlossen worden. Diese Personengruppe kann einzelnen Betrieben schon qua Definition nicht zugeordnet werden. Der Betriebsbegriff ist insoweit ein untaugliches Kriterium, Mehrheiten festzustellen.c) Soweit Tarifverträge in der Printbranche und im privaten Rundfunk als auf einzelne Firmen zugeschnittene Tarifverträge (so genannteHaustarifverträge) existieren bzw. solche Unternehmen ohne Tarifbindung Arbeitgeberverbänden angehören (so genannte OT-Mitgliedschaft) ist heute schon zu beobachten, dass Arbeitgeber Betriebe nach Kriterien zuschneiden, die eine Tarifbindung möglichst ausschließen ist.Arbeitgebern per Gesetz die Möglichkeit einzuräumen, auf gewerkschaftliche Tarifpolitik über den Betriebsbegriff Einfluss zu nehmen, ist aus Gewerkschaftssicht indiskutabel.3) Das Gesetz bietet für die Minderheitsgewerkschaft nicht mehr als die Möglichkeit, sich den von fremden Parteien vereinbarten Tarifverträgen anzuschließen. Eine eigenständige Tarifpolitik gerade auch für Anliegen der Journalistinnen und Journalisten (z.B. im Urheberrecht oder hinsichtlich der spezifischen Bedingungen der journalistischen Arbeit) wird unmöglich gemacht, mindestens in Frage gestellt.4) Der DJV und verdi sind jeweils die größere Gewerkschaft, je nachdem auf den Tarifbereich „Redaktion“ oder den Betrieb abgestellt wird. Im ersten Fall ist es der DJV, im zweiten i.d.R. verdi. Beide Gewerkschaften arbeiten derzeit in der Verfolgung tariflicher Ziele i.d.R. eng zusammen. Diese Solidarität wird aufs Spiel gesetzt, wenn jede Gewerkschaft dazu verdammt ist, ihre Tarifpolitik allein oder doch vor allem nach dem Mehrheitsprinzip auszurichten. Es ist absehbar, dass die bisherige Zusammenarbeit zwischen DJV und verdi nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Opfer der in den Gesetzesvorschlägen angelegten Kraftprobe wird.V.i.S.d.P.: Karl-Josef Döhring, DJV-Hauptgeschäftsführer, Charlottenstraße 17, 10117 Berlin